Die staatliche Aufgabenverteilung im föderalen System der Bun­desrepublik Deutschland und gegenüber der Europäischen Union (EU)

 

von Karl-Heinz Hense

 

 

Staatliche Aufgaben sind in der Bundesrepublik zwar häufig zentral definiert, ihre Erledigung wird jedoch unterschied­lichen Ebenen zugewiesen, die ihrerseits im Rahmen der je­weils geltenden Gesetze auch eigene Aufgaben definieren und wahrnehmen. Zudem hat die Bundesrepublik als Mitglied der Europäischen Union (EU) eine Reihe von Kompetenzen an die EU abgegeben, etwa den gesamten Be­reich der staatlichen Unter­stützung und Steuerung landwirtschaftlicher Produk­tion. In­sofern ist genau zu differenzieren zwischen den jeweiligen staatlichen und administrativen Ebenen, die für die Erledi­gung von gesetzlich definierten Aufga­ben zuständig sind.

 

 

Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern

 

Zur klassischen "horizontalen" Gewaltenteilung (Legislative - Exekutive - Recht­sprechung) kommt im föderativen System eines Bundesstaates die "vertikale" Ge­waltenteilung zwischen Gesamtstaat und Einzelstaaten hinzu, d.h. jede der drei Ge­walten ist nochmals zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Es besteht also eine "doppelte Gewaltenteilung". Die Art und Weise der Aufgliederung und die Vertei­lung der Gewichte ge­ben dem jeweiligen Bundesstaat seine eigene, politisch ge­wollte Prägung und Charakteristik: Schwacher Bund und starke Länder - oder um­gekehrt; viel Einheitlichkeit und wenig Vielfalt - oder umgekehrt; zentrale Lenkung und wenige de­zentrale Korrekturmöglichkeiten - oder umgekehrt; zentraler Aus­gleich zwischen den unterschiedlichen Leistungsstärken der Länder und wenig Anreize, aus eigener Kraft, durch Wett­bewerb (kompetitiv), voranzukommen - oder umgekehrt.

 

Die Aufteilung der Aufgaben kann in der Weise vorgenommen werden, daß ent­weder der Gesamtstaat oder die Gliedstaaten für bestimmte Sachbereiche umfas­send zuständig sind, also jeweils die Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtspre­chung da­für übernehmen. Dieses Prinzip gilt in den Vereinigten Staa­ten von Amerika. Unser Grundgesetz wendet ein komplizierte­res System an: Es werden nicht ganze Sachgebiete entweder dem Bund oder den Ländern zugesprochen, sondern nur Teil­funktionen für das jeweilige Sachgebiet, also die Gesetzge­bung beispielsweise dem Bund, die Verwaltung für dasselbe Gebiet den Ländern und die Rechtsprechung Bund und Ländern gemeinsam. Rein technisch geht die Verfas­sung dabei so vor, daß sie die Zuständigkeiten des Bundes jeweils einzeln auf­zählt. Wenn es eine solche ausdrückliche Zuweisung an den Bund nicht gibt, dann sind die Länder zuständig. Artikel 30 Grundgesetz lautet: "Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt."

 

Aus dieser Bestimmung, die eine Zuständigkeitsvermutung für die Länder enthält, darf indessen keineswegs gefolgert wer­den, den Ländern sei Vorrang bei der Übernahme staatlicher Aufgaben zugedacht worden. Das Grundgesetz hat viel­mehr, in­dem es eine "andere Regelung trifft oder zuläßt", die Schwerpunkte bei den einzelnen Staatsgewalten unterschied­lich gesetzt. Verallgemeinernd kann man sagen:

 

- Für die Gesetzgebung ist auf den meisten Gebieten der Bund zuständig ("unitarische Gesetzgebung").

- Die Verwaltung ist grundsätzlich Ländersache ("föderative Verwaltung").

- Bei der Rechtsprechung sind Bund und Länder eng     miteinander verzahnt.

 

Diese Aufgabenverteilung gibt dem Bund eine starke Stellung; denn mit der umfas­senden Gesetzgebungshoheit kann er bundes­einheitliche Normen für alle Länder und alle Bürger bestim­men. Da der moderne Staat fast alle Lebensbereiche durch Ge­setze regelt und gestaltet, hat der Bund mit dem Schwerge­wicht bei der Ge­setzgebung zugleich auch das Schwergewicht staatlichen Handelns überhaupt er­halten. Die Länder sind schwächer. Sie können allerdings - und das ist ein wichti­ger Ausgleich - über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bun­des mitwirken: Bundesgesetze, die die Belange der Länder in besonderer Weise berühren, können nur mit ausdrücklicher Zu­stimmung des Bundesrates erlassen werden.[1]

  

Die Gesetzgebung - Gewichtung zugunsten des Bundes

 

Die Gesetze werden in der Bundesrepublik Deutschland ganz überwiegend vom Deutschen Bundestag unter Mitwirkung des Bundesrates und nicht in den Landes­parlamenten beschlossen. Der Bund hat für die meisten Gebiete die Gesetzge­bungszu­ständigkeit, und er nimmt sie auch in den Fällen voll wahr, in denen er den Ländern durchaus noch Spielraum für Landes­gesetze lassen könnte. Das Grund­gesetz hat das Gesetzge­bungsrecht des Bundes nämlich eigentlich abgestuft.

 

Es kann Regelung bis in alle Einzelheiten sein, sich bei be­stimmten Sachgebieten aber auch auf die Festlegung von Grundzügen beschränken und dementsprechend Landesgesetze entweder völlig ausschließen oder ergänzend zulassen.

 

 Die Gesetzgebung des Bundes

 

Der Bund hat die Zuständigkeit zur Gesetzgebung nur für sol­che Gebiete, für die sie ihm vom Grundgesetz ausdrücklich übertragen worden ist. Der Bund muß ei­nen "Titel" haben, sonst sind die Länder zuständig. Nur ausnahmsweise kann sich auch der Bund auf ungeschriebene Gesetzgebungszuständigkei­ten berufen. Näm­lich auf die "Zuständigkeit kraft Sachzusam­menhang", wenn eine dem Bund aus­drücklich zugewiesene Mate­rie offensichtlich nicht geregelt werden kann, ohne daß zu­gleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgere­gelt wird. Die Mitregelung muß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber "unerläßlich" sein, und damit kann sie nur ganz selten zum Zuge kommen; die bloße Zweckmä­ßigkeit einer gleichzeitigen Regelung reicht nicht aus.

 

Die zweite Ausnahme ist die ebenfalls nur äußerst einge­schränkt denkbare Zu­ständigkeit kraft "Natur der Sache", die zum Beispiel für Regelungen über die Symbole des Bundes, seine Dienstsiegel, die Nationalhymne und so weiter in An­spruch genommen werden könnte.

 

Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes

 

Für bestimmte Sachgebiete, die im Interesse des Gesamtstaa­tes und seiner Bürger bundeseinheitlich geregelt sein sol­len, weist das Grundgesetz dem Bund die aus­schließliche Ge­setzgebung zu.[2] Die Länder dürfen für solche Sachgebiete nur dann Gesetze erlassen, wenn und soweit einzelne Bundesgeset­ze sie dazu aus­drücklich ermächtigen.

 

Zur ausschließlichen Gesetzgebung gehören zum Beispiel: Aus­wärtige Angele­genheiten, Verteidigung, Staatsangehörigkeit im Bund, Währung, Maße, Gewichte, das Postwesen und die Te­lekommunikation, Zoll- und Grenzschutz.

 

Konkurrierende Gesetzgebung des Bundes

 

Bei einer Vielzahl von Sachgebieten dürfen Bund und Länder gesetzgeberisch "konkurrieren". Dem Bund ist allerdings ein Vorrang eingeräumt. Die Länder dür­fen hier Gesetze nur er­lassen, wenn und soweit der Bund nicht die gleichen Ge­gen­stände durch Gesetze regelt. Voraussetzung für ein Bundesge­setz ist nach dem Wortlaut von Artikel 72 des Grundgesetzes ein Bedürfnis nach bundesgesetz­licher Regelung. Drei Gründe werden dafür angeführt:

 

- Eine Angelegenheit kann durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden.

- Die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz könnte die Interessen anderer Länder oder der Gesamtheit beeinträchtigen.

- Die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus erfor­dert bundeseinheitliche Regelungen.[3]

 

Diese Voraussetzungen hätten eigentlich Schranken für den Bundesgesetzgeber sein sollen. Sie sind es jedoch nicht ge­wesen. Das Bundesverfassungsgericht hat nämlich schon 1953 entschieden, daß diese Voraussetzungen grundsätzlich nicht Gegenstand richterlicher Beurteilung sind, sondern im pflichtmäßigen Ermessen des Bundesge­setzgebers liegen. Die­ser "Freibrief" hat in der Praxis dazu geführt, daß die kon­kurrierende Gesetzgebung fast ausnahmslos vom Bund in An­spruch genommen wurde. Außerdem hat der Bund von seiner Kom­petenz jeweils umfassend Gebrauch gemacht und kaum noch Raum für "konkurrierende" Gesetze der Länder gelassen. Die kon­kurrierende Gesetzgebung ist also praktisch zu einer aus­schließlichen Ge­setzgebung des Bundes geworden. Die Gesetz­gebungsmöglichkeiten der Landtage sind so sehr viel stärker eingeengt worden, als es den Vorstellungen des Parlamen­tari­schen Rates, also den Überlegungen der "Mütter und Väter des Grundgesetzes" entsprach.

 

Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung[4] sind zum Bei­spiel: Bürgerliches Recht (Vertragsrecht, Eigentum, Famili­enrecht, Erbrecht), Strafrecht, Prozeß­recht, Vereins- und Versammlungsrecht, Ausländerrecht, öffentliche Fürsorge, Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privat­rechtliches Versicherungswesen), Kern­energie, Arbeitsrecht, Ausbildungsbeihilfen, Kartellrecht, Straßenverkehr, Seu­chen­schutz, Arzneimittelrecht, Wohnungswesen, Tierschutz, Ab­fallbeseitigung, Luftreinhaltung, Lärmbekämpfung, Gentechnik beim Menschen, Organtransplanta­tion, Besoldung und Versor­gung des Öffentlichen Dienstes.

 

Rahmengesetzgebung des Bundes

 

Der Bund kann für bestimmte Bereiche Rahmenvorschriften er­lassen, also die Umrisse und inhaltlichen Grundzüge für "ausfüllende" Landesgesetze festlegen.[5]

 

Auch hier verlangt das Grundgesetz ein Bedürfnis für bundes­einheitliche Vor­schriften nach den gleichen Voraussetzungen wie bei der konkurrierenden Gesetz­gebung.

Beispiele für die Rahmenkompetenz sind: Recht des öffentli­chen Dienstes der Länder und Gemeinden, allgemeine Grundsät­ze des Hochschulwesens, allgemeine Rechtsverhältnisse von Presse und Film, Naturschutz, Landschaftspflege, Raum­ord­nung, Wasserwirtschaft, Melde- und Ausweiswesen.

 

Den Ländern verbleibt hier die Möglichkeit, die Einzelheiten innerhalb des vom Bund gesetzten Rahmens selbst zu entschei­den. Das "Raumordnungsgesetz" des Bundes enthält also nur allgemeine Regeln; die eigentliche Strukturplanung für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse in den einzelnen Bundeslän­dern ist dagegen Sache jedes einzel­nen Landes. Es gibt allerdings auch viele Rah­mengesetze, die den Ländern kaum noch Spielraum für eigene Entscheidungen las­sen - der Bund macht nämlich auch von dieser Gesetzge­bungszuständigkeit einen sehr eingehenden Gebrauch.

 

Grundsatzgesetzgebung des Bundes

 

Für drei Sachgebiete ermächtigt das Grundgesetz den Bund, Grundsätze aufzustel­len, die dann für die Organe des Bundes und der Länder maßgebend sind. Wie bei der Rahmengesetzge­bung soll der Bund auch hier die Materie nicht bis in alle Ein­zel­heiten, sondern nur in ihren Grundzügen regeln.

 

Die drei Anwendungsfälle sind: Gemeinsame Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine konjunkturgerechte Haushaltswirt­schaft und für eine mehrjährige Finanz­planung des Bundes und der Länder;[6] allgemeine Grundsätze für die Erfüllung der Ge­meinschaftsaufgaben von Bund und Ländern[7] sowie Grundsätze für Staatslei­stungen an Religionsgemeinschaften.[8]

 

 Die Gesetzgebung der Länder

 

Die Länder sind für die Gesetzgebung zuständig, soweit dem Bund das Gesetzge­bungsrecht in der Bundesverfassung nicht übertragen worden ist. Diesen für die gesamte Staatstätig­keit geltenden Grundsatz wiederholt das Grundgesetz bei den Regeln für die Gesetzgebung: Artikel 70, Absatz 1 Grundge­setz: "Die Länder ha­ben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Ge­setzgebungsbefugnisse verleiht."

 

Auf den ersten Blick könnte der Eindruck entstehen, die Län­der hätten auf diese Weise weitreichende Gesetzgebungsmög­lichkeiten, die nur durch die Einzelzuwei­sungen für den Bund eingeschränkt seien. In Wirklichkeit ist es jedoch genau um­gekehrt. Den Ländern ist praktisch nur noch ein Restbestand verblieben. Dem Bund wurde schon 1949 die Zuständigkeit für fast alle damals wichtigen Bereiche zugewiesen. Bei der kon­kurrierenden Gesetzgebung wäre zwar Raum für Landes­gesetze gewesen, den der Bund den Ländern jedoch nicht überlassen hat. Er hat von seinem Rechtsetzungsrecht in nahezu allen Fällen Gebrauch gemacht und dabei jeweils Vollregelungen ge­schaffen, die regionales Recht praktisch ausschließen.

 

Hinzu kam, daß nach 1949 entstandene oder in ihrer Bedeutung gestiegene Aufga­ben nicht den Landesgesetzgebern überlassen, sondern oftmals dem Bund durch Verfassungsänderung zugewie­sen wurden. Das Grundgesetz ist mehr als dreißig­mal geändert worden. Die meisten Neuerungen betrafen das Bund-Länder-Ver­hältnis. Gesetzgebungszuständigkeiten wurden stets dem Bund, niemals den Län­dern übertragen.

 

Neu entstandene Aufgaben erhielt der Bund durch die Wehrver­fassung, die Not­standsverfassung sowie auf den Gebieten der Kernenergie, des Luftverkehrs und der Gentechnik. Bedeutsam gewordene Bereiche wurden ihm mit der Abfallbesei­tigung, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung auf dem Gebiet des Um­weltschut­zes übertragen; mit dem Hochschulrahmengesetz und der Ausbildungsförderung auf dem Bildungssektor; sowie im finanziellen Bereich mit der Krankenhausförde­rung, der Be­soldungsregelung für Landesbeamte sowie der Forschungsförde­rung;[9] und nicht zuletzt mit den Gemein­schaftsaufgaben für den Ausbau und Neubau von Hochschulen, der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie der Ver­besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.[10]

 

Den Ländern steht die Gesetzgebung für folgende Sachbereiche noch fast ge­schlossen, also ohne übergeordnete Bundesvor­schriften, zu:

 

- Kulturelle Angelegenheiten, insbesondere Schulwesen; Rundfunk und Fernsehen;

- Kommunalwesen, also das Organisationsrecht für Städte, Gemeinden und Land­kreise;

- Polizeirecht, das sind die allgemeinen Regeln für die staatliche Ordnungsverwal­tung und ihre Organisation. Darunter fällt nicht nur die sogenannte Vollzugspoli­zei, sondern auch der Teil der Verwaltung, der Gefahren abzuwehren hat, durch welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht wird (Bauaufsicht, Gewer­beaufsicht, Gesundheits- und Veterinärwesen u.a.).

 

Durch die Rahmengesetzgebung des Bundes beschränkte, aber gleichwohl bedeu­tende Gesetzgebungszuständigkeiten haben die Länder für die Sachgebiete

 

- Landesplanung, also die strukturelle Entwicklung des Landes - etwa die Entwick­lung der ländlichen Räume und die Entflechtung der Ballungsgebiete;

- Naturschutz und Landschaftspflege;

- Wasserrecht.

 

Die Parlamente der Länder haben natürlich auch das Budget­recht, also die Zu­ständigkeit für den

 

- Landeshaushalt, allerdings fast nur noch auf der Ausgabenseite, da das Steuer­aufkommen zu rund neunzig Prozent auf Bundesgesetzen beruht.

 

Wenn die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder zugunsten des Bundes auch stark eingeschränkt worden sind, so sind doch Sachbereiche übriggeblieben, die durchaus noch eigen­ständige Landespolitik durch Landesgesetze ermöglichen.

 

Beispiele für Landesgesetzgebung sind: Landesverfassung, Landeswahlgesetz, Landesorganisationsgesetz, Landesverwal­tungsverfahrensgesetz, Kreisreformge­setz, Gemeindeordnung, Landkreisordnung, Kommunalwahlgesetz, Polizeigesetz, Landes­bauordnung, Feuerwehrgesetz, Gesetz über den Rettungsdienst, Katastro­phenschutzgesetz, Krankenhausgesetz, Kindergartenge­setz, Bestattungsgesetz, Landesentwicklungsprogramm, Mittel­standsförderungsgesetz, Wohnungsbauför­derungsgesetz, Landes­straßengesetz, Fischereigesetz, Architektengesetz, Ingeni­eurgesetz, Gesetz über Sonn- und Feiertage, Nachbarrechtsge­setz, Schulgesetz, Gesetz über die Erhebung von Kirchensteu­ern, Landespressegesetz, Gesetz über Rundfunkanstalten, Denkmalschutzgesetz, Landeshaushalt, Landesgebührengesetz, Kommunalabgabengesetz, Sportwettengesetz.

 

Beispiele für Rahmengesetze des Bundes: Universitätsgesetz, Landesbeamtenge­setz, Meldegesetz, Landesnaturschutzgesetz, Landesforstgesetz, Landesjagdgesetz.

 

 Exekutive - Gewichtung zugunsten der Länder

 

Die Exekutive, die verständlicher, aber unvollkommen als vollziehende Gewalt be­zeichnet wird, umfaßt zwei Tätigkeits­formen: die Regierungstätigkeit und die Verwaltungstätig­keit. Beide zusammen machen sie von der gesamten Staatstä­tig­keit den Bereich aus, der weder Gesetzgebung noch Recht­sprechung ist.

 

Die Regierungstätigkeit ist die Ausübung politischer Füh­rungs- und Leitungsauf­gaben. Sie gibt die Richtung auf be­stimmte politische Ziele sowohl für die Gesetz­gebung als auch für die Verwaltung an und plant die Gestaltung der Le­bensver­hältnisse in wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder außenpolitischer Hinsicht. Sie ist dabei an Verfassung und Gesetze gebunden - darf also nicht rechtswidrig handeln. Andererseits aber ist die Regierung zu politischer Aktivität aufgefordert; von ihr wird zukunftsorientiertes Handeln er­wartet und nicht nur der bloße Voll­zug bestehender Gesetze.

 

Demgegenüber ist die Verwaltung - der andere Zweig der Exe­kutive - die zum Vollzug der Gesetze eingesetzte Staats­macht. Aber die Verwaltung erschöpft sich nicht im bloßen Gesetzesvollzug, der in Freiheit und Eigentum des Bürgers ein­greift und in Geboten oder Verboten besteht. Der Staat, zumal der moderne, ist "Leistungsstaat", der "Daseinsvorsor­ge" betreibt, der also fördert, pflegt, gewährt und plant. Diese Tätigkeit nach Ermessen oder ohne konkrete gesetzliche Vor­schriften gehört als Leistungsverwaltung und Planung ebenfalls zum Bereich der Verwaltung. Beispiele sind etwa die Unterhaltung von Schulen, Hochschulen und Theatern oder die staatliche Förderung von Industrieansiedlungen zur ge­planten Verbesserung der Wirtschaftsstruktur einer Region.

 

Die Exekutive des Bundes: Regierungstätigkeit

 

Die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes sind zugleich auch die äußerste Grenze für seine Exekutiv-Befugnisse. Ge­setzgebungs- und Vollzugszuständigkeit fallen aber nicht zu­sammen.

 

Das politische Leitungs- und Führungsorgan des Bundes ist die Bundesregierung. Sie darf auf allen Gebieten "regieren", auf denen dem Bund die Gesetzgebungs- oder Verwaltungszu­ständigkeit zusteht. Da der Bund für fast alle wichtigen Le­bensbereiche der Gesetzgeber ist, reicht auch das Tätig­keitsfeld der Bundesregie­rung weit. Es schließt die Außenpo­litik, Verteidigungspolitik, Währungspolitik ein und er­streckt sich über die Wirtschaftspolitik, Arbeitsrecht, Zi­vilrecht, Strafrecht, Umweltschutz bis zur Familien- und So­zialpolitik, um nur wenige Stichworte zu nennen.

 

Die Regierung hat auf diesen Gebieten Gesetze vorzuschlagen, Rechtsverordnun­gen zu erlassen, politische Grundfragen zu entscheiden, Abmachungen mit auslän­dischen Staaten zu ver­einbaren oder auch Einfluß auf die öffentliche Meinung und die gesellschaftlichen Kräfte zu nehmen. Außerdem hat die Bundesregierung zum Vollzug der Bundesgesetze Verwaltungs­vorschriften zu erlassen, die bundeseige­nen Behörden einzu­richten und zu überwachen. Ferner hat sie über die Ausfüh­rung der Bundesgesetze durch die Länder die Aufsicht zu füh­ren.

 

Verwaltungstätigkeit des Bundes

 

Reine Verwaltungsaufgaben hat das Grundgesetz dem Bund nur für wenige Sach­gebiete übertragen.[11] Verwaltung ist im all­gemeinen Ländersache. Selbst die Bundesgesetze werden ganz überwiegend durch die Behörden der Länder (einschließlich Gemeinden und Gemeindeverbände) und nicht durch Bundesbehör­den ausgeführt.[12]

 

Verhältnismäßig viele Behörden besitzt der Bund auf der so­genannten Zentral­stufe, also "an der Spitze", mit Sachzu­ständigkeiten für das ganze Bundesgebiet. Hierzu gehören die obersten Bundesbehörden wie zum Beispiel das Bundeskanz­ler­amt, die Bundesministerien, der Bundesrechnungshof und soge­nannte Bundes­oberbehörden wie zum Beispiel das Bundeskrimi­nalamt, das Umweltbundesamt, das Bundeskartellamt oder das Statistische Bundesamt. Vergleichbar damit ist auch die so­genannte mittelbare Bundesverwaltung, die der Bund durch ei­gene Körper­schaften und Anstalten ausführen läßt. Hierzu zählen die Bundesanstalt für Arbeit mit den zur Bundesver­waltung gehörenden Landesarbeitsämtern und Arbeitsäm­tern, die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Deut­sche Bundes­bank.

 

Einen eigenen Verwaltungsunterbau mit Mittel- und Unterbe­hörden besitzt der Bund nur für den Auswärtigen Dienst, für die Bundesfinanzverwaltung, die Bun­deswasserstraßen- und Schiffahrtsverwaltung, die Bundespost, die Bundesbahn, die Bundeswehrverwaltung[13] und für den Bundesgrenzschutz.

 

Für die Bundesbehörden schreibt die Verfassung in Artikel 36 als Ausdruck guten föderativen Stils die Verwendung von Be­diensteten aus allen Ländern vor, und die landsmannschaftli­chen Verhältnisse müssen auch bei den Wehrgesetzen berück­sichtigt werden.

 

Mittelbar sind die Länder außerdem über den Bundesrat an der Außenpolitik betei­ligt.

 

Die außenpolitischen Zuständigkeiten der Bundesländer kommen auch bei der Europäischen Union zum Ausdruck. Die Länder ha­ben einen Landesbeamten zum "Vertreter der Länder bei der Europäischen Union" bestellt. Außerdem sind die einzelnen Bundesländer im europäischen "Ausschuß der Regionen" vertre­ten und unterhalten Informationsbüros in Brüssel, die die Dienststellen der EU über das Land und das Land über die Ak­tivitäten der EU - insbesondere auf wirtschaftli­chem Gebiet - unterrichten. Die Bundesregierung ist darüber hinaus seit 1986 zu einer engen Zusammenarbeit mit dem Bundesrat und den Ländern bei solchen Vorhaben der EU verpflichtet, die "ganz oder in einzelnen Bestimmungen aus­schließliche Gesetzge­bungsmaterien der Länder betreffen oder deren wesentliche Interessen berühren".[14]

 

Die Exekutive der Länder: Regierungstätigkeit

 

Ebenso wie beim Bund ist auch im Länderbereich die Exekutive in die Regierungs­tätigkeit und die reine Verwaltungstätig­keit aufgeteilt.

 

Die Landesregierung, die in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg "Senat" heißt, hat Führungs- und Leitungsaufga­ben in den Sachbereichen, die der Landes­gesetzgebung oder Landesverwaltung unterliegen. Also vor allem auf kulturellem Gebiet (Schulen, Hochschulen, Theater, Museen, Sport, Rund­funk und Fernse­hen), bei der Polizeiorganisation, im Gemein­derecht, in dem für die wirtschaftliche und soziale Entwick­lung so wichtigen Gebiet der Landesplanung (Industrieansied­lung, Stadtplanung, Verkehrserschließung) und nicht zuletzt in den "gesetzesfreien" Bereichen des modernen Leistungs­staates bei der Familien-, Bil­dungs- und Sozialpolitik. Zur Regierungstätigkeit zählt aber auch die Mitwirkung im Bun­desrat; denn die Länder werden dort durch Mitglieder ihrer Regierung vertreten.

 

Verwaltungstätigkeit der Länder

 

Das Grundgesetz wollte Mammutbehörden vermeiden, die fernab vom unmittelba­ren Geschehen in einer Zentrale am grünen Tisch entscheiden. Die Verwaltungs­aufgaben sind deshalb im wesentlichen den Ländern übertragen worden.[15]

 

Landesgesetze werden grundsätzlich immer von Landesbehörden (einschließlich der Behörden von Gemeinden und Gemeindever­bänden) vollzogen. Über diesen Gesetzesvollzug hinaus eröff­nen sich aber im Bereich der Leistungsverwaltung und Planung gerade im Landesbereich vielfältige Aufgaben und Möglichkei­ten. Hier wird Artikel 30 des Grundgesetzes anschaulich, nach dem die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Er­füllung der staatlichen Aufgaben Sache der Län­der ist, so­weit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zu­läßt. Öffent­liche Einrichtungen zu schaffen und Dienstlei­stungen für die Daseinsvorsorge zu erbringen, heißt in er­ster Linie Länderverwaltung, insbesondere Gemeindeverwal­tung.

 

Beispiele sind: Kindergärten, Schulen, Volkshochschulen, Bi­bliotheken, Kranken­häuser, Altersheime, Jugendzentren, Frei­zeitprogramme, Fremdenverkehrswerbung,

 

Förderung des Sports, Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, Müllabfuhr, Beratungs­stellen, Landesstraßen und viele "gesetzesfreie" Tätigkeiten mehr.

 

Die Verwaltungsbehörden der Länder führen aber auch die mei­sten Bundesge­setze durch. Sie tun es entweder "im Auftrag des Bundes" oder als "eigene Ange­legenheit". Auftragsverwaltung[16] besteht nur für einen kleinen Kreis von Verwal­tungsaufgaben. Der Bund kann den Landesbehörden hier­bei Weisungen erteilen, sich also in alle Einzelheiten ein­mischen; er muß bei staatlichen Einrichtungen dann aber auch die Kosten tragen. Auftragsangelegenheiten sind zum Bei­spiel: Verwaltung der Bundesautobahnen und Bundesstraßen; Verwaltung von Bundes­wasserstraßen; Durchführung von Geld­leistungsgesetzen, wenn der Bund minde­stens die Hälfte der Ausgaben trägt; Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung (Geneh­migung von Flughäfen); Aufgaben auf dem Gebiet der Kernener­gie (Genehmigung von Kernkraftwerken und Anlagen zur Lage­rung oder Wiederauf­bereitung radioaktiver Stoffe).

 

Die meisten Bundesgesetze werden von den Ländern als "eigene Angelegenheiten" vollzogen.[17] Die Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes sind hierbei schwächer als bei der Auftragsver­waltung. Die Aufsicht erstreckt sich nur auf die Rechtmäßig­keit der Verwaltungsentscheidungen, nicht auch auf deren Zweckmäßigkeit. Wenn beim Vollzug mehrere Möglichkeiten "rechtmäßig" sind, dann darf das Land die Auswahl treffen; der Bund kann die Entscheidung nicht mit der Begründung auf­heben, eine andere Entscheidung wäre besser, "zweckmäßiger" gewesen. Die Län­der sind deshalb selbst beim Vollzug von Bundesgesetzen nicht nur schlichte aus­führende Organe, son­dern sie können durchaus eigene Erwägungen einbringen und echte Entscheidungen treffen. Mit der Zuständigkeit für die Ausführung der Bundesgesetze haben die Länder deshalb einen wichtigen Bereich der Staatstätig­keit im Bundesstaat über­tragen erhalten.

 

Anwendungsfälle sind: Umweltschutz, Sozialhilfe, Jugendhil­fe, Stadtsanierung, Baurecht (Baugenehmigung), Straßenver­kehrsrecht (Führerschein-Erteilung, Zu­lassung von Kraftfahr­zeugen, Aufstellung von Verkehrszeichen), Ausländerrecht (Aufenthaltserlaubnisse, Ausweisungen), Wohnungswesen (Wohn­geld, Zuweisung von Sozialwohnungen), Ausweiswesen (Ausstel­lung und Verlängerung von Per­sonalausweisen), Personen­standswesen (standesamtliche Trauung) und überhaupt die mei­sten Bundesgesetze.

 

 

Rechtsprechung: verzahnt zwischen Bund und Ländern

 

Bei der Dritten Gewalt, der Rechtsprechung, sind die Zustän­digkeiten zwischen Bund und Ländern noch stärker vermischt als bei der Gesetzgebung und Verwal­tung.[18]

Es gibt einen Instanzenzug zwischen Bund und Ländern.[19] Die Prozesse beginnen bei Gerichten der Länder; sie enden - falls Rechtsmittel eingelegt werden - bei Ge­richten des Bun­des. Bei den fünf Gerichtszweigen führt nämlich der "Rechts­weg" von einer größeren Zahl von Ländergerichten jeweils zu einem "Obersten Bundes­gericht". Dieses kann rechtsfehlerhaf­te Entscheidungen der Ländergerichte aufhe­ben und so für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung dieses Gerichtszweiges im ge­samten Bundesgebiet eintreten.

 

Für einige Sonderrechtsgebiete können nach dem Grundgesetz zu Lasten der sonst bestehenden Länderzuständigkeit Gerichte des Bundes geschaffen werden. Dann entfällt die Verzahnung mit Landesgerichten. Für den gewerblichen Rechtsschutz ist dies mit dem Bundespatentgericht in München geschehen. Für Bundesbedien­stete bestehen erstinstanzliche Disziplinargerichte des Bundes. Außerdem enthält die Verfassung die Er­mächtigung, "Wehrstrafgeriche für Streitkräfte" einzurich­ten. Sie könnten die Strafgerichtsbar­keit aber nur im Ver­teidigungsfalle sowie über Angehörige der Streitkräfte aus­üben, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegs­schiffen eingeschifft sind.

 

Die fünf Gerichtszweige, zu denen die Verfassungsgerichts­barkeit hinzukommt, sind:

 

1. Ordentliche Gerichtsbarkeit

 

Sie ist gegliedert in die Zivilgerichte (zum Beispiel Pro­zesse um Verträge, Scha­densersatz, Ehescheidungen, Erbrecht) und Strafgerichte.

 

Instanzen:

 

- Amtsgericht

- Landgericht

- Oberlandesgericht (Berlin: Kammergericht)

- Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

 

2. Verwaltungsgerichtsbarkeit

 

Diese Gerichte haben über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Verwaltungsbe­hörden zu entscheiden und können "Verwal­tungsakte" notfalls aufheben.

 

Instanzen:

 

- Verwaltungsgericht

- Oberverwaltungsgericht (in manchen Ländern:

  Verwaltungsgerichtshof)

- Bundesverwaltungsgericht in Berlin.

 

3. Arbeitsgerichtsbarkeit

 

Hier wird über Streitigkeiten aus Arbeitsverträgen, über die Rechtmäßigkeit von Kündigungen und von Arbeitskampfmaßnahmen entschieden.

 

Instanzen:

 

- Arbeitsgericht

- Landesarbeitsgericht

- Bundesarbeitsgericht in Kassel.

 

4. Sozialgerichtsbarkeit

 

Wenn es um Streitigkeiten aus der Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosen­versicherung sowie aus der Kriegsopferver­sorgung geht, sind die Sozialgerichte zuständig.

 

Instanzen:

 

- Sozialgericht

- Landessozialgericht

- Bundessozialgericht in Leipzig.

 

5. Finanzgerichtsbarkeit

 

Steuer- und Zollsachen werden im Streitfall von den Finanz­gerichten entschieden.

 

Es gibt nur zwei Instanzen:

 

- Finanzgericht

- Bundesfinanzhof in München.

 

Verfassungsgerichte des Bundes und der Länder

 

Wichtig für das Bund-Länder-Verhältnis ist außerdem das Bun­desverfassungsge­richt in Karlsruhe. Es wird mitunter sogar als "Garant des Bundesstaates" gewer­tet, weil es neben ande­ren "Verfassungsstreitigkeiten" Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder verbind­lich entscheiden kann. Nur wenn es um die Anwendung der Ver­fassung geht, ist es zuständig. Es kann dann auch die Ent­scheidung eines obersten Bundesgerichts verfassungs­rechtlich überprüfen, ist aber trotzdem nicht eine noch höhere Stufe im "Instanzenzug", sondern ein eigenständiges Verfassungsor­gan mit Gerichtsfunkti­on ohne "Untergerichte". Auch zu den Verfassungsgerichtshöfen der Länder be­steht keine Instanzen­verbindung. Diese Gerichte, die in manchen Ländern Staats­ge­richtshof heißen, haben auf Landesebene vielmehr die gleiche Aufgabe wie das Bundesverfassungsgericht im Bund: Sie sind für Streitigkeiten zuständig, die bei der Anwendung der Lan­desverfassung entstehen.

 

 

Übertragung von staatlichen Aufgaben auf die EU

 

Durch die Verträge der Europäischen Union, die im Maastrich­ter Vertrag von 1992 zusammengefaßt sind, werden bestimmte Politikbereiche auf europäischer Ebene zusammengeführt. Dies hat zur Folge, daß die Kompetenzen der Mitglied­staaten in den Gemeinschaftspolitiken der EU an die europäische Ebene abgegeben oder teilweise abgegeben werden.

 

Die Entscheidungen über die allgemeinen politischen Leitli­nien für das europäi­sche Einigungswerk trifft der Europäi­sche Rat, in dem die Staats- bzw. Regie­rungschefs der Mit­gliedstaaten zusammenkommen. Die Einzelentscheidungen über die Gemeinschaftspolitiken trifft der Rat der Minister auf Vorschlag der Kommission, die ebenfalls für die Durchführung und Überwachung der Ratsent­scheidungen zuständig ist. Das Europäische Parlament hat weitgehende Mitent­scheidungs-, Be­ratungs- und Kontrollrechte.

 

Die eigenständigen, nationalen Kompetenzen übergeordneten Zuständigkeiten der EU beziehen sich insbesondere auf wirt­schaftliche Ziele im Bereich des gemein­samen Binnenmarktes, der zu einer Wirtschafts- und Währungsunion ausgebaut werden soll. Gemeinschaftliche Politiken haben sich inzwischen vor allem in den Bereichen der Landwirtschaft, des Verkehrs und der transeuropäischen Netze, der Forschung und Technologie sowie in der Industriepolitik ausgebildet.

 

Die Beschlüsse des Ministerrates haben unterschiedliche Bin­dungskraft für die Mitgliedstaaten. Die "Verordnungen" set­zen gleiches Recht für alle, "Richtlinien und Entscheidun­gen" sind für alle Mitglieder verpflichtend, stellen aber vor allem Rechtsangleichungen dar und sind im Bezug auf ihre Ziele verbindlich; daneben aber gibt es Empfehlungen und Stellungnahmen, die lediglich allgemeine Orientie­rungen dar­stellen.

 

Außerdem schließt die EU internationale Verträge, nämlich Assoziierungsabkom­men sowie Partnerschafts- und Kooperati­onsabkommen mit anderen Ländern und Verträge über die Auf­nahme in den Europäischen Wirtschaftsraum, die für alle Mit­glieder bindend sind. In der Regel werden die Aufgaben, die aus solchen Ver­trägen resultieren, von der EU selbst wahrge­nommen. Beispiel dafür ist die Un­terstützung bei der Einfüh­rung von Demokratie und Marktwirtschaft in den neuen demo­kratischen Staaten des Ostens.

 

Obwohl die EU aber umfangreiche Kompetenzen erhalten hat und ihre Zuständig­keiten weiter ausgebaut werden sollen, bleiben die Aufgaben, die damit verbunden sind, gemäß dem Subsidia­ritätsprinzip des Maastrichter Vertrages, im wesentli­chen den Mitgliedstaaten übertragen. Das heißt, daß die Rechtsak­te, die die Union setzt, von den Mitgliedstaaten zu vollzie­hen sind. Insoweit bricht das europäische Recht nationales Recht. Die Europäische Kommission übt die Kontrolle über die Einhaltung europäischen Rechts aus. Für Streitfälle ist der Europäische Gerichtshof zuständig, der letztgültige Ent­scheidungen fällt.

 

Allerdings hat sich der Deutsche Bundestag eine weitgehende Gestaltungsfreiheit im Bezug auf "die Begründung der Euro­päischen Union sowie für Änderungen ihrer vertraglichen Grundlagen und vergleichbarer Regelungen" vorbehalten.[20] Für solche Fälle ist eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages vonnöten.

 

Während also in manchen Aufgabenbereichen, zum Beispiel in der Agrarpolitik, die nationalen Aufgaben nur im Rahmen der europäischen Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen wahrgenommen werden können, ist in anderen, klassischen Ho­heitsbereichen nur europäisches Zusammenwirken vorgesehen; dies betrifft vor allem die "zweite und dritte Säule des Maastrichter Vertrages", die Gemeinsame Außen- und Sicher­heitspolitik sowie die Kooperation in der Innen- und Rechts­politik.

 

Insgesamt sind die Zuständigkeiten und Aufgaben, die aus der Mitgliedschaft in der Europäischen Union resultieren, wie­derum zwischen Bund und Ländern aufge­teilt.[21]

 

 

 

 

Brüssel, im April 1999



 

 

[1]Artikel 50 Grundgesetz: "Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit."

 

[2]Geregelt in Artikel 71 und 73 Grundgesetz.

 

[3]Artikel 72 Grundgesetz im Wortlaut:

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solan­ge und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Der Bund hat in diesem Bereich das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwer­tiger Lebensverhält­nisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im ge­samtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erfor­derlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

 

[4]Nach Artikel 74 und 74a Grundgesetz.

 

[5]Nach Artikel 75 Grundgesetz.

 

[6]Nach Artikel 109, Absatz 3 Grundgesetz: "Durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates be­darf, können für Bund und Länder gemeinsam geltende Grundsätze für das Haushaltsrecht, für eine kon­junkturgerechte Haushaltswirtschaft und für eine mehrjährige Finanzplanung aufgestellt werden."

 

[7]Nach Artikel 91a, Absatz 2 Grundgesetz: "Durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates werden die Gemeinschafts­aufgaben näher bestimmt. Das Gesetz soll allgemeine Grundsätze für ihre Erfüllung enthal­ten."

 

[8]Nach Artikel 140 Grundgesetz, in Verbindung mit Artikel 138, Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung.

 

[9]Nach Artikel 91b Grundgesetz: "Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungs­planung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird in der Vereinbarung geregelt."

 

[10]Nach Artikel 91a Grundgesetz.

 

[11]Gemäß Artikel 87 Grundgesetz.

 

[12]Artikel 83 Grundgesetz: "Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt."

 

[13]Nach Artikel 87 und 87b Grundgesetz.

 

[14]Im einzelnen ist diese durch den Maastrichter Vertrag überaus komplex entwickelte Materie in Artikel 23 Grundgesetz seit 1992 neu geregelt.

 

[15]Gemäß Artikel 83 bis 85 Grundgesetz.

 

[16]Gemäß Artikel 85 Grundgesetz.

 

[17]Artikel 83 Grundgesetz: "Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt."

 

[18]Gemäß Artikel 92 Grundgesetz: "Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichte der Länder ausgeübt."

 

[19]Gemäß Artikel 92 bis 96 Grundgesetz.

 

[20]Gemäß Artikel 23 Grundgesetz.

 

[21]Im einzelnen geregelt im 4. Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Agelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993.